Frauen in Führungspositionen – an dieser Stelle hat die Touristikwirtschaft Nachholbedarf. Welche Weichen seitens der Unternehmen gestellt werden können, zeigt eine zur ITB 2024 veröffentlichte Studie der Hochschule für nachhaltige Entwicklung in Eberswalde (HNE). Dazu wurden von Juni bis September 2023 insgesamt 156 Frauen befragt, die in der Tourismuswirtschaft arbeiten – quantitativ mittels Online-Fragebogen und qualitativ mittels fünf ausführlicher Fokusgruppengespräche. Die Frauen waren zum Befragungszeitpunkt in unterschiedlichen Segmenten und in verschiedenen Positionen in der Touristik tätig.
Noch fehlen weibliche Vorbilder
Die Aussagen der Frauen zeigen deutlich: Sie haben Interesse an Spitzenpositionen. Allerdings gilt es zu verstehen: Frauen definieren Karriere vollkommen anders als Männer, auch wenn sie einen hohen Stellenwert für sie hat. Der Wunsch, eine abwechslungsreiche, interessante Aufgabe mit Gestaltungsspielraum zu haben, ist Frauen wichtiger, als eine bestimmte Position zu erreichen.
Frauen beschreiben ihre Karrierewege als komplex und zunehmend flexibel. Die Tourismusbranche biete dabei viele Möglichkeiten, sich thematisch umzuorientieren, was zu unkonventionellen Karrierewegen führe. Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass es in Zukunft wichtig sein wird, Frauen auch Alternativen zur hierarchischen Karriereleiter anzubieten.
Die etablierten männlichen Netzwerke empfinden Frauen als stärkstes Hindernis. In den Fokusgruppengesprächen wurde deutlich, dass sie sich aufgrund der starken Männerverbünde oft ausgeschlossen und nicht respektiert fühlen. Zudem gaben viele Frauen gaben an, dass ihnen weibliche Vorbilder fehlen.
Weitere Barrieren auf dem Weg zur Karriere
Auch Vorurteile aufgrund geschlechtsspezifischer Stereotype sowie die Unvereinbarkeit von Familie und Beruf sind hinderlich für die Karriereentwicklung von Frauen. Festgefahrene Unternehmens- und Gesellschaftsstrukturen können zusätzliche Barrieren darstellen, so das Ergebnis der Studie. Außerdem beklagen Frauen einen Gender Pay Gap: Sie erhalten für dieselbe Tätigkeit weniger Gehalt als ihre männlichen Kollegen.
Initiiert wurde die Studie von Sabine Pracht, Coach für Female Leadership & Transformation, sowie Claudia Brözel, Professorin für Marketing und E-Commerce im Tourismus an der HNE. Die beiden Studienherausgeberinnen hatten sich zum Ziel gesetzt, den Ursachen mangelnder weiblicher Führungskräfte auf den Grund zu gehen und Handlungsempfehlungen für Unternehmen in der Tourismuswirtschaft aufzuzeigen. Die Studie wurde im Rahmen einer Masterarbeit an der HNE von Lena Zell durchgeführt.
B&B Hotels will mehr Frauen an der Spitze
Im nächsten Schritt wird die Hochschule Eberswalde Unternehmen in der Umsetzung begleiten, beispielsweise die Kette B&B Hotels. „Wir nehmen am Forschungsprojekt Move for Female Transformation teil“, kommuniziert CEO Max Luscher auf Linkedin. „Frauen in Führungspositionen? Ich bin da ein Totalversager. Alle meine Direct Reports sind Männer. Boyz Club“, bekennt Luscher. Das will er nun ändern. Der erste Workshop habe bereits stattgefunden, und er wolle konkrete Ergebnisse erreichen.